Über begraster Fläche spannt sich ein weites, weißes Firmament mit dämmrigen Regenwolken. Ein Schatten schiebt sich dunkel ins Bild, in dessen Zentrum sich zwischen Himmel und Erde ein Häuserkomplex erhebt. Ein anderes Mal ist der Vordergrund von einer tiefen Furche durchzogen: Erdiges Gelände kontrastiert mit hellem Abendhimmel. Ein solitäres kantiges Bauwerk deutet auf potenzielle Betriebsamkeit, die möglicherweise für eine Nacht, vielleicht auch für immer zum Erliegen gekommen ist. Im obersten Stockwerk lässt gelber Schein auf einsame Überstunden schließen. Vielleicht ist es auch nur ein Lichtreflex, der sich in gläserner Scheibe spiegelt – ein trügerisches Funkeln, an etwas erinnernd, das nicht mehr da ist. Es ist ein Paradox der Landschaften von Anna Fiegen, dass die durchgängige Präsenz architektonischer Gebilde die sie bestimmende Menschenleere noch intensiviert. Die meist isolierten Bauten wirken wie Restbestände einer ausgestorbenen oder zumindest fort gegangenen Zivilisation: Ruinen einer stillgelegten Industrie, Häuser, in denen niemand mehr wohnt, modernistische Konstruktionen, die wie Fremdkörper in abgelegenen, diffusen Brach- und Ackergebieten liegen, als hätten sie dort nichts mehr verloren.
Die Großformate der 1981 geborenen Malerin, die an der Kunstakademie in Münster studiert hat, entfalten ihre atmosphärische Dichte und geheimnisvolle Suggestivkraft durch gezielte Brüche und Kontraste. Ein Dreh- und Angelpunkt ist die Auseinandersetzung mit dem weitreichenden Bauprogramm der Moderne, das sich bis heute auswirkt, wenn es auch zwischenzeitlich mehrfach als gescheitert erklärt worden ist. Anna Fiegen greift auf die modernistische Konstruktionssprache zurück, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend verwässert in der architektonischen Massen- und Fertigproduktion niedergeschlagen hat, wie man sie von Einkaufszentren an suburbanen Straßenrändern, Firmensitzen auf der grünen Wiese oder anderen abgeschiedenen Zweckbauten kennt. Mit ihren lakonisch-kargen Architekturen treibt die Künstlerin einerseits das Credo der Moderne „form follows function“ auf die Spitze und legt einen Fokus auf das funktionelle Bauwerk. Doch wird dieses zugleich „ad absurdum geführt“, wie sie bemerkt, da sich sobald die Frage stellt, „wofür es funktional ist“ . Die oft aus der Ferne, wie aus einem fahrenden Vehikel en passant erfassten Gebäude, die meist isoliert in der Landschaft stehen, haben etwas in sich abgeschlossenes und auch abweisendes. Häufig fehlen ihnen die Türen, gestatten die Fenster keinerlei Einblick in ihr Inneres.
Die stark reduzierten, geradezu minimalistischen Architekturen erhalten so eine „ikonische“ Qualität und lassen durch ihre abstrakte Zeichenhaftigkeit auch an die konzeptuellen gemalten Landschaften mit frugalen Funktionsbauten des kalifornischen Künstlers Ed Ruscha denken, spezifisch an seine schwarzweiße Blue Collar-Gruppe aus dem Jahr 1992, die er in seiner mehrteiligen Bild-Installation Course of Empire für den amerikanischen Pavillon bei der Venedig-Biennale 2005 um eine farbkräftige Serie von zwischen 2003 und 2005 entstandenen Pendants erweiterte: Fertigungsstätten verschiedener Güter in typischer Kastenform unter stilisiert-stimmungsvollem Hollywood-Himmel (kalifornische Weite trifft hier auf die künstliche Ästhetik eines Filmstills) inklusive einer Telefonzelle, die in der späteren Bildfassung, längst von der Mobilkultur überholt, nicht mehr existiert.
Wie Ruscha, stützt sich Anna Fiegen in ihrer Malerei ebenfalls auf selbst aufgenommene Fotografien von örtlichen Gegebenheiten, die sie auf der Leinwand zu eigenen Situationen zusammenstellt. Während Ruscha in besagter Gegenüberstellung seiner beiden Werkgruppen unter anderem das Vergehen von Zeit beziehungsweise die kulturellen Wandlungen von industrieller zu postindustrieller, digitalisierter Ära untersucht und sichtbar macht, herrscht in den Landschaften Anna Fiegens eine seltsame Zeitlosigkeit: eine Art Vakuum, beinahe, das mit einer atmosphärischen Aufladung einhergeht, die wiederum eine Affinität zu Edward Hoppers von „Lichtspielen“ dramatisierten Kompositionen aufweist.
Die Begegnung mit dem Werk Hoppers ist nach Auskunft der Künstlerin die eigentliche Initialzündung gewesen, sich von Stilleben-, Aktmalerei und Makroperspektiven auf sparsam bebaute Landschaften zu verlegen, die sich im Spannungsfeld zwischen An- und Abwesenheit, Leere und Fülle, Lakonie und Stimmungstiefe, Abstraktion und Figürlichkeit positionieren. Hoppers charakteristische Licht-Schatten-Kontraste, die im „Film noir“ ihre cinematografische Entsprechung fanden, haben Anna Fiegen ebenso inspiriert wie die im Werk des Malers immer wieder wirksame Natur-Kultur-Dichotomie.
In ihren meist großformatigen Landschaften (Standardmaß: 180 x 190 cm), die sie auch als „Türen zur Welt“ bezeichnet hat, visualisiert Anna Fiegen – wie oben bereits angedeutet – übertemporale, ortlose Räume, die sich dem Zugriff entziehen. Und doch manifestieren sich darin sowohl Rückanbindungen der Künstlerin zur Ästhetik der Moderne (über besagte Bauten, die ihrerseits an der Grenze zur „Überholtheit“ oszillieren) als auch zur spezifischen Topografie Westfalens, wo sie beheimatet ist. Letztere wird allerdings nicht als fotorealistische Wiedergabe malerisch umgesetzt, sondern „der Wiedererkennungswert basiert“, wie sie erläutert, „auf einer bestimmten Atmosphäre und Lichtstimmung“ . Diese Stimmung durchdringt sämtliche Landschaften der Künstlerin, selbst wenn die fotografischen Vorlagen zu ihren Ansichten eines westfälischen Niemandslandes teils aus Besuchen entfernter Gegenden wie Bulgarien, Japan oder Istanbul hervorgegangen sind.
In ihren neueren Arbeiten lösen sich die Gewissheiten auch malerisch noch stärker auf: Die Szenarien und die darin enthaltenen Konstruktionen verlieren an Konturiertheit zugunsten einer flächigeren Pinselführung und eines erhöhten Abstraktionsgehalts. Dabei bleibt das ihnen eigene emotionale Klima erhalten, in dem Caspar David Friedrichs transzendente Sehnsuchtspanoramen ebenso mitschwingen wie Samuel Becketts existenzielle Wüsteneien, in denen versprengte Figuren der Ankunft Godots harren. Die von Wolkenspiel und tageszyklischen Dämmerstimmungen durchwirkten Himmelsareale, die sich über die unbevölkerten, doch von zivilisatorischen Spuren durchzogenen Terrains erstrecken, konterkarieren die den Arbeiten inhärente Aura der Verlassenheit und Leere durch die Magie naturgegebener Schönheit: Auf deren Nachhaltigkeit gegenüber der Relativität und Unbeständigkeit unserer gebauten Kultur deuten die mehrfach gebrochenen Landschaften von Anna Fiegen, ohne sich jedoch auf eine Betrachtungsweise festlegen zu lassen.
Über begraster Fläche spannt sich ein weites, weißes Firmament mit dämmrigen Regenwolken. Ein Schatten schiebt sich dunkel ins Bild, in dessen Zentrum sich zwischen Himmel und Erde ein Häuserkomplex erhebt. Ein anderes Mal ist der Vordergrund von einer tiefen Furche durchzogen: Erdiges Gelände kontrastiert mit hellem Abendhimmel. Ein solitäres kantiges Bauwerk deutet auf potenzielle Betriebsamkeit, die möglicherweise für eine Nacht, vielleicht auch für immer zum Erliegen gekommen ist. Im obersten Stockwerk lässt gelber Schein auf einsame Überstunden schließen. Vielleicht ist es auch nur ein Lichtreflex, der sich in gläserner Scheibe spiegelt – ein trügerisches Funkeln, an etwas erinnernd, das nicht mehr da ist. Es ist ein Paradox der Landschaften von Anna Fiegen, dass die durchgängige Präsenz architektonischer Gebilde die sie bestimmende Menschenleere noch intensiviert. Die meist isolierten Bauten wirken wie Restbestände einer ausgestorbenen oder zumindest fort gegangenen Zivilisation: Ruinen einer stillgelegten Industrie, Häuser, in denen niemand mehr wohnt, modernistische Konstruktionen, die wie Fremdkörper in abgelegenen, diffusen Brach- und Ackergebieten liegen, als hätten sie dort nichts mehr verloren.
Die Großformate der 1981 geborenen Malerin, die an der Kunstakademie in Münster studiert hat, entfalten ihre atmosphärische Dichte und geheimnisvolle Suggestivkraft durch gezielte Brüche und Kontraste. Ein Dreh- und Angelpunkt ist die Auseinandersetzung mit dem weitreichenden Bauprogramm der Moderne, das sich bis heute auswirkt, wenn es auch zwischenzeitlich mehrfach als gescheitert erklärt worden ist. Anna Fiegen greift auf die modernistische Konstruktionssprache zurück, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend verwässert in der architektonischen Massen- und Fertigproduktion niedergeschlagen hat, wie man sie von Einkaufszentren an suburbanen Straßenrändern, Firmensitzen auf der grünen Wiese oder anderen abgeschiedenen Zweckbauten kennt. Mit ihren lakonisch-kargen Architekturen treibt die Künstlerin einerseits das Credo der Moderne „form follows function“ auf die Spitze und legt einen Fokus auf das funktionelle Bauwerk. Doch wird dieses zugleich „ad absurdum geführt“, wie sie bemerkt, da sich sobald die Frage stellt, „wofür es funktional ist“ . Die oft aus der Ferne, wie aus einem fahrenden Vehikel en passant erfassten Gebäude, die meist isoliert in der Landschaft stehen, haben etwas in sich abgeschlossenes und auch abweisendes. Häufig fehlen ihnen die Türen, gestatten die Fenster keinerlei Einblick in ihr Inneres.
Die stark reduzierten, geradezu minimalistischen Architekturen erhalten so eine „ikonische“ Qualität und lassen durch ihre abstrakte Zeichenhaftigkeit auch an die konzeptuellen gemalten Landschaften mit frugalen Funktionsbauten des kalifornischen Künstlers Ed Ruscha denken, spezifisch an seine schwarzweiße Blue Collar-Gruppe aus dem Jahr 1992, die er in seiner mehrteiligen Bild-Installation Course of Empire für den amerikanischen Pavillon bei der Venedig-Biennale 2005 um eine farbkräftige Serie von zwischen 2003 und 2005 entstandenen Pendants erweiterte: Fertigungsstätten verschiedener Güter in typischer Kastenform unter stilisiert-stimmungsvollem Hollywood-Himmel (kalifornische Weite trifft hier auf die künstliche Ästhetik eines Filmstills) inklusive einer Telefonzelle, die in der späteren Bildfassung, längst von der Mobilkultur überholt, nicht mehr existiert.
Wie Ruscha, stützt sich Anna Fiegen in ihrer Malerei ebenfalls auf selbst aufgenommene Fotografien von örtlichen Gegebenheiten, die sie auf der Leinwand zu eigenen Situationen zusammenstellt. Während Ruscha in besagter Gegenüberstellung seiner beiden Werkgruppen unter anderem das Vergehen von Zeit beziehungsweise die kulturellen Wandlungen von industrieller zu postindustrieller, digitalisierter Ära untersucht und sichtbar macht, herrscht in den Landschaften Anna Fiegens eine seltsame Zeitlosigkeit: eine Art Vakuum, beinahe, das mit einer atmosphärischen Aufladung einhergeht, die wiederum eine Affinität zu Edward Hoppers von „Lichtspielen“ dramatisierten Kompositionen aufweist.
Die Begegnung mit dem Werk Hoppers ist nach Auskunft der Künstlerin die eigentliche Initialzündung gewesen, sich von Stilleben-, Aktmalerei und Makroperspektiven auf sparsam bebaute Landschaften zu verlegen, die sich im Spannungsfeld zwischen An- und Abwesenheit, Leere und Fülle, Lakonie und Stimmungstiefe, Abstraktion und Figürlichkeit positionieren. Hoppers charakteristische Licht-Schatten-Kontraste, die im „Film noir“ ihre cinematografische Entsprechung fanden, haben Anna Fiegen ebenso inspiriert wie die im Werk des Malers immer wieder wirksame Natur-Kultur-Dichotomie.
In ihren meist großformatigen Landschaften (Standardmaß: 180 x 190 cm), die sie auch als „Türen zur Welt“ bezeichnet hat, visualisiert Anna Fiegen – wie oben bereits angedeutet – übertemporale, ortlose Räume, die sich dem Zugriff entziehen. Und doch manifestieren sich darin sowohl Rückanbindungen der Künstlerin zur Ästhetik der Moderne (über besagte Bauten, die ihrerseits an der Grenze zur „Überholtheit“ oszillieren) als auch zur spezifischen Topografie Westfalens, wo sie beheimatet ist. Letztere wird allerdings nicht als fotorealistische Wiedergabe malerisch umgesetzt, sondern „der Wiedererkennungswert basiert“, wie sie erläutert, „auf einer bestimmten Atmosphäre und Lichtstimmung“ . Diese Stimmung durchdringt sämtliche Landschaften der Künstlerin, selbst wenn die fotografischen Vorlagen zu ihren Ansichten eines westfälischen Niemandslandes teils aus Besuchen entfernter Gegenden wie Bulgarien, Japan oder Istanbul hervorgegangen sind.
In ihren neueren Arbeiten lösen sich die Gewissheiten auch malerisch noch stärker auf: Die Szenarien und die darin enthaltenen Konstruktionen verlieren an Konturiertheit zugunsten einer flächigeren Pinselführung und eines erhöhten Abstraktionsgehalts. Dabei bleibt das ihnen eigene emotionale Klima erhalten, in dem Caspar David Friedrichs transzendente Sehnsuchtspanoramen ebenso mitschwingen wie Samuel Becketts existenzielle Wüsteneien, in denen versprengte Figuren der Ankunft Godots harren. Die von Wolkenspiel und tageszyklischen Dämmerstimmungen durchwirkten Himmelsareale, die sich über die unbevölkerten, doch von zivilisatorischen Spuren durchzogenen Terrains erstrecken, konterkarieren die den Arbeiten inhärente Aura der Verlassenheit und Leere durch die Magie naturgegebener Schönheit: Auf deren Nachhaltigkeit gegenüber der Relativität und Unbeständigkeit unserer gebauten Kultur deuten die mehrfach gebrochenen Landschaften von Anna Fiegen, ohne sich jedoch auf eine Betrachtungsweise festlegen zu lassen.